Stellungnahme der Grünen Fraktion zur ÖPP-Auftragsvergabe

Bevor ich auf die heutige Entscheidung eingehe, erlauben Sie mir einige Worte zum ÖPP-Verfahren. Die Informationspolitik während des Ausschreibungs- und Bieterauswahlverfahren war mehr als mangelhaft und wenig dazu angetan, Vertrauen in ÖPP zu schaffen. Die ersten schriftlichen Unterlagen erhielt der Gemeinderat knappe 3 Tage vor der beratenden Sitzung am vorvergangenen Samstag. Die Vorlage umfasste ganze 8 Seiten. Zahlen auf losen Blättern, teilweise ohne Nennung des Verfassers, Zahlen ohne Vergleichsdaten. Selbst nach Vorlage weiterer Unterlagen bleiben die Zahlen Flickwerk, bleibt die Herkunft der Berechnungsergebnisse weiterhin intransparent und nicht nachprüfbar. Für manch andere Entscheidung um vergleichsweise läppische Beträge haben wir mehr Zeit und Papier aufgewendet. Und nur zum Vergleich: Allein für die ÖPP-Vorstudie von Zimmermann, Burock & Koch, die uns weit weniger Geld gekostet hat, wurden uns fünf umfangreiche Berichte vorgelegt.

Die heutige Entscheidung hat weitreichende Folgen. Sie verpflichtet uns über einen Zeitraum von 25 Jahre. Sie bindet eine ganze Generation. Um so mehr gebietet es unsere Verantwortung dieser Stadt gegenüber, genau hinzuschauen. Seit dem Amtsantritt des Bürgermeisters im Jahre 1996 ist die Schulsanierung ein Dauerbrenner. Was wurde nicht alles entschieden und dann wieder verworfen. Es ist ja nicht so, dass es keine Lösungen gab. Die gab es.

Erste Kostenrechnungen des Bauamts zur Sanierung des Schulzentrums aus dem Jahre 2002 gingen zunächst von einem Sanierungsbedarf von ca. 11 Mio. Euro aus, der später von den Gutachtern Schlund sowie Klingmann, Burock & Koch auf 12,6 Mio. bzw. 14,3 Mio. Euro erhöht wurde. Diese Zahlen waren schlüssig, und keiner hat sie damals hinterfragt. Es ging hier schließlich „nur“ um die Sanierung von Schulen und Hallen, die alles in allem in keinem so schlechtem Zustand waren. Finanz- und Sanierungspläne wurden erstellt. Unter anderem auch ein 10-Jahres-Plan, nach dem die Schulen und Hallen beginnend ab 2004 hätten saniert werden können. Wäre man diesem Plan gefolgt, so wären heute die Friedrich-Ebert-Schule und das Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium saniert, und es stünde nun die Sanierung der Humboldt-Realschule an. 2013, also in knapp 5 Jahren, stünden wir vor einem komplett sanierten Schulzentrum. Alles in allem eine überschaubare Zeit – und eine, wie wir meinen, durchaus finanzierbare Sache.

Nun, es kam, wie wir wissen, alles anders. Und so sehen wir uns heute mit der gigantischen Summe von 61 Mio. Euro konfrontiert. Die ÖPP-Lösung wird als die effizienteste und die schnellste Lösung angepriesen. Eppelheim spart bares Geld und bekommt nebenbei moderne Schulen und eine komplett neue Rhein-Neckar-Halle. Doch nimmt man die nackten Zahlen zur Kenntnis, wird diese Euphorie von tiefer Nüchternheit ersetzt.

Gingen die ersten Gutachten noch von reinen Kosten für Bau und Planung – also ohne Finanzierung und Betrieb – von 12,6 bis 14,3 Mio. Euro aus, sind diese Kosten auf nun wundersame 20 Mio. Euro angestiegen – und das trotz eines geringeren Sanierungsvolumens, denn die Käthe-Kollwitz-Schule soll jetzt nicht saniert werden. Wie ist diese exorbitante Kostenexplosion zu erklären? Die Berater begründen es mit der hohen Schadstoffbelastung. Wie kann das sein? Haben die anderen Gutachter geschlafen? Sind sie inkompetent? Das Schadstoffgutachten wurde uns nicht vorgelegt. Wir können es nicht nachprüfen.

Zum angeblichen Effizienzvorteil: Laut Beratern liegt dieser bei 26%. Damit liegt Eppelheim weit über allen bisherigen Erfahrungswerten, die von einer Effizienzrate von ca. 6-18% ausgehen. Diesen ernormen Effizienzvorteil konnten die Berater nicht schlüssig begründen. Macht man sich aber die Mühe die Zahlen von Arcadis mit denen der Vorgutachter Zimmermann, Burock & Koch zu vergleichen, dann fällt auf, das im Arcadis-Vergleich die Transaktions- und Verwaltungskosten – also die Zusatzosten, die regelmäßig in allen Phasen der Projektdurchführung entstehen – fehlen. Laut ÖPP-Leitfaden des Bundesministeriums für Verkehr sind diese Kosten beim Wirtschaftlichkeitsvergleich gesondert aufzuführen. Auf unsere Nachfrage hin quantifizieren die Berater diese Kosten mit 325.000 Euro netto, die Kosten für Bau-, Vertrags- und Betreibercontrolling konnten sie uns aber nicht nennen. Wieder versetzen uns die Berater in Erstaunen. Was bei Arcadis angeblich nicht geht, listen uns die Vorgutachter dezidiert auf. Allein die Transaktions-, Verwaltungskosten beziffern sie mit über 5 Mio. Euro bei einer Laufzeit von 27 Jahren.

Überhaupt wurde dem Gemeinderat nirgends begründet, weshalb nur ein Privatunternehmen, nicht aber die Stadt die Kosten optimieren kann. Auch ist für uns nicht einsehbar, woher die Berater die Daten für das Referenzprojekt, sprich PSC, genommen haben. Fast drängt sich die Vermutung auf, hier wurde das teuerste Angebot mit dem günstigsten Angebot verglichen und daraus die Effizienz ermittelt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt bei ÖPP, der gänzlich in den uns vorgelegten Informationen fehlt, ist die Frage der Risikoverteilung. Bei einem Projekt dieser Größenordnung, das über 25 Jahre geht, bedarf die Risikoverteilung eines besonderen Risikomanagements. Ein solches können wir nicht aus den Unterlagen erstehen. Eine Möglichkeit, die Risikoverteilung transparenter zu machen, wäre ein Risikoregister, wie es im Leitfaden 2007 vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung empfohlen wird. Warum wurde ein solches Register nicht unserem Vertrag angehängt?

Die Kostenschätzung für Sanierung und Neubau der Rhein-Neckar-Halle ist eine gigantische Luftnummer. Da wird uns vorgerechnet, dass allein die Sanierung der Halle mit Zwischenfinanzierung uns knapp 6 Mio. Euro kosten würde. Zieht man die Finanzierung ab, kämen wir vielleicht auf einen Betrag von 4,5 Mio. Euro. Frühere Kostenschätzungen gingen dagegen von lediglich 2,3 Mio. Euro aus. Das macht einen Differenzbetrag von 2,2 Mio. Euro, also eine 100%-ige Verteuerung gegenüber der früheren Kostenschätzung. Schwer zu glauben, dass die Schadstoffe alleine für diese inflationäre Kostensteigerung verantwortlich sind. Da müsste die Halle direkt verseucht sein und für das Publikum gesperrt werden.

Und dann der Neubau der Rhein-Neckar-Halle. Wir zahlen 5,1 Mio. Euro allein für Bau und Planung und bekommen eine nagelneue Halle, so das Versprechen. Aber auch diese Kosten sind deutlich zu hoch gegriffen. Die Halle wird deutlich kleiner als die alte. Ist eine deutlich kleinere Halle diesen Preis wert? Zum Vergleich: Für den Neubau der Mensa, Aula und neue Bibliothek, die vor zwei Jahren im Gespräch war, ging man von einem Betrag von 3,1 bis 4,1 Mio. Euro aus. Dieses andere Gebäude hätte eine ungleich größere Funktionalität und wäre trotzdem deutlich billiger. Wie sind die 5,1 Mio. für den Neubau der Rhein-Neckar-Halle zu erklären?

Zum Vertrag. Viele Fragen stehen für uns noch offen. Die nötige Zeit zur Beantwortung dieser Fragen wurde uns aber leider nicht eingeräumt. Die aktuelle Vertragsfassung lag uns erst vergangenen Montag vor. Die heutige Sitzung ist auch nicht geeignet auf diese Fragen näher einzugehen. Wir beschränken uns daher auf ein paar grundsätzliche Anmerkungen:

1) Der Vertrag ist ein leeres Formular. Wichtige Zahlen und Namen fehlen.

2) Der Vertrag ist nicht vollständig. Es fehlen die Anhänge und Gutachten, die ebenfalls Bestandteil des Vertrages sind. Wir können nicht über etwas entscheiden, das uns nicht in vollem Umfang vorliegt.

3) Das Vertragsmuster stammt aus dem Jahre 2005. Hierzu gibt es eine neuere Fassung aus diesem Jahr. Es ist zu prüfen, inwieweit hier Anpassungen vorgenommen müssen.

Zur Finanzierung: Noch völlig in den Sternen steht auch, wie die nun auf jährlich 2,4 Mio. Euro angewachsene ÖPP-Rate über einen Zeitraum von 25 Jahre gegenfinanziert werden soll. Fehlte schon für die erste Deckelung auf 2 Mio. ein schlüssiges Einsparkonzept zur Beschaffung der dann anfallenden Mehrausgaben von damals 500.000 Euro, hat sich diese Finanzlücke nun fast verdoppelt auf 900.000 Euro. Damit wird das Finanzierungsproblem unverantwortlich in die Zukunft verschoben.

Unser Fazit:
Die vorgelegten Zahlen sind nicht nachvollziehbar und daher nicht nachprüfbar. Lehrer, Eltern und Schüler erwarten zu recht eine schnelle Sanierung, doch darf dies nicht gegen die Notwendigkeit einer soliden und eingehenden Prüfung ausgespielt werden. Dass ohne ausreichende Information entschieden werden soll, ist eine Verhöhnung des Gemeinderats.Wir beantragen deshalb, die heutige Entscheidung zu vertagen. Die Fragen sollten zusammengetragen werden und abschließend mit den Beratern geklärt werden.

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