Haushaltsrede 2011

Eppelheim,  das Kap der guten Hoffnung – das vermittelt unser Bürgermeister derzeit als Handlungsreisender in Sachen ÖPP, nicht nur in Baden Württemberg, inzwischen auch in anderen Bundesländern. Bei diesen Handlungsreisen verbreitet er so manche Mär, die einen zum Staunen bringt. Er sagt: Die Infrastruktur war grausam, als er 1994 in Eppelheim Bürgermeister wurde. Und: Eppelheim hatte bei seinem Amtsantritt  20 Mio. Euro Schulden – tatsächlich waren es  ca. 4,5 Mio. Euro. Wir lesen weiter: „Jetzt haben wir 10 Mio. Euro Guthaben“.  – Wir fragen Sie: Wo haben Sie diese Millionen versteckt, Herr Bürgermeister? Im Haushaltsplan tauchen sie jedenfalls nicht auf.

Und wir lesen weiter: „Ich habe die Verwaltung in Eppelheim abgespeckt. Als ich anfing 1994 waren wir  116 Mitarbeiter – heute sind wir 34“. Tatsächlich sind es heute 98 Angestellte und Beamte,  plus 10 Nachwuchskräfte, also 118 Mitarbeiter, was auch angemessen ist für die Größe unserer Gemeinde. Wir dürfen auch nicht außer Acht lassen, dass wir damals noch Reinigungskräfte hatten, die „outgesourced“ wurden und für die wir heute ebenfalls über die ÖPP Rate bezahlen. Stimmt also alles nicht, womit Sie sich, Herr Bürgermeister, das Mäntelchen des Großen Machers anziehen wollen.

Und in der Stuttgarter Zeitung erzählen Sie noch ein Märchen: Dass in Eppelheim die Privatisierung seit 1998 laufen würde. Nun, wir wissen, tatsächlich wurden die Verträge erst 2008 abgeschlossen. Das können wir im übrigen alles  im Schifferstadter Tagblatt vom Februar und in der  Stuttgarter Zeitung vom 5. März 2011 nachlesen.

Wie ist es nun tatsächlich mit der Haushaltslage der Gemeinde bestellt?
Bereits  bei den Haushaltsverabschiedungen der letzten Jahre sah es nicht rosig aus. Zu erwarten waren keine ausgeglichenen Haushalte. Doch mit den Rechnungsabschlüssen hatte sich dann doch noch auf Grund erhöhter Steuereinnahmen und Schlüsselzuweisungen das Ergebnis ins Plus gedreht.

Richtig ist, dass wir zu Anfang des Jahres noch einen Rücklagenstand von 7,5 Mio. Euro  hatten. Dies haben wir aber dem Umstand zu verdanken, dass geplante Baumaßnahmen, wie der Bau des Kindergartens St. Luitgard in Höhe von 3 Mio. Euro, nicht umgesetzt wurden. Der Grund für diese Rückstellung: Der Bürgermeister versucht allem Anschein nach, auf Biegen und Brechen den Neubau der Kindergärten über ÖPP durchzudrücken.  Fakt ist: Der Rücklagenstand wird  sich bis Ende 2011 auf  3 Mio. Euro reduzieren, und nach jetzigen Prognosen ist er bereits nächstes Jahr komplett aufgebraucht.

Wie ist die Entwicklung des Schuldenstandes?
Es ist schon richtig: Wir hatten bisher wenig Schulden. Doch das ist nur dem Umstand geschuldet, dass notwendige Investitionen immer wieder verschoben wurden. Dies führte zu einem enormen Investitionsstau, den wir nun in Zeiten knapper Kassen abbauen müssen. Zudem wurden die Schulen über ÖPP finanziert, was aber ähnlich ist wie eine Kreditaufnahme, nur in der Haushaltsdarstellung anders erscheint.

2011 startet der Kämmereihaushalt mit 4,2 Mio. Euro Schulden ohne Wasserwerk, erreicht Ende 2011 voraussichtlich einen Stand von 9 Mio. Euro und endet in der mittelfristigen Finanzplanung bis 2014 bei insgesamt 17 Mio. Euro, ohne die „kreditähnliche Verpflichtungen“ durch ÖPP. Das macht eine Pro-Kopf-Verschuldung von über 1.100 Euro.

Stichwort ÖPP:
Die Kosten hierfür summieren sich dieses Jahr auf sage und schreibe 3,9 Mio. Euro. Neben der jährlichen Rate von 2,6 Mio. Euro sollen weitere 600 000 Euro an Zins- und Tilgungsleistungen gezahlt werden. Hinzu kommen 750 000 Euro für die neue Halle, die allerdings vertraglich vorgesehen waren.  Und für die neue Drei-Feld-Sporthalle zahlen wir darüber hinaus weitere 1,5 Mio. Euro.

Warum die ÖPP-Rate dieses Jahr um weitere  600 000 Euro aufgestockt, darüber haben wir bisher keine schlüssige schriftliche Auskunft erhalten. Die uns jetzt vorgelegte Kurz-Info ist nicht ausreichen. Wir haben auch keine Antwort auf unser Frage erhalten, wie und wo die Kosten für den weggefallenen Abriss der Rhein-Neckar-Halle in Höhe von 328 883 Euro der Gemeinde gutgeschrieben wurden.

Wir fragen Sie, Herr Bürgermeister: Wo ist die Transparenz und Information, die Sie in Ihren Vorträgen vorgeben?

Nach Haushaltsvorlage fehlen uns im Verwaltungshaushalt in diesem Jahr 2,5 Mio. Euro. Dieses Defizit wird sich bis 2014 so fortsetzen. Gleichzeitig müssen wir vermehrt Kredite aufnehmen, was den Verwaltungshaushalt der nächsten Jahre zusätzlich belasten wird.

Die Haushaltslage würde sich noch schlimmer darstellen, wenn sich nicht unerwartet ein haushaltstechnischer Trick mit Zustimmung der Kommunalrechtsaufsicht aufgetan hätte. Wie geht dieser Trick? Man verbucht sämtliche Tilgungsleistungen für ÖPP im Vermögenshaushalt – also auch solche Leistungen, die da gar nicht rein gehören und nur im Verwaltungshaushalt verbucht werden dürften. Das sind in diesem Jahr immerhin über 1,35 Mio. Euro. Wie ist das rechtlich möglich? Wie war doch die Argumentation des Bürgermeisters vor ÖPP: „Aufwendungen für Sanierungen müssen  komplett im Verwaltungshaushalt verbucht werden, deshalb können wir die Sanierung nicht in Eigenregie durchführen.“

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Das Problem des Verwaltungshaushaltes, das sich immer deutlicher abzeichnet, wird sein: sinkende Gesamteinnahmen bei kräftig steigenden Finanzausgaben und sächlichem Verwaltungsaufwand. Wir wissen nicht, wie sich ein sich abzeichnender Börsengang unseres größten Gewerbesteuerzahlers  auswirken wird und wie sich die gesamtwirtschaftliche Lage und damit der Finanzausgleich entwickeln wird.

Fakt ist: Wir werden aller Voraussicht nach für mehrere Jahre, die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Mittel für Zins und Tilgungsleistungen im Verwaltungshaushalt nicht erwirtschaften können.  Bis 2014 werden wir keine ausgeglichenen Haushalte mehr haben. Damit die Einschätzungen der Finanzplanung nicht in ihrer vollen Tragweite zur Realität werden, spricht der Kämmerer deutliche Worte: „Es wird an die  Substanz gegangen werden müssen.“ Das heißt nichts anderes, als dass Vermögen der Gemeinde veräußert werden muss.  Und gleichzeitig muss die Infrastruktur in Frage gestellt werden. Das bedeutet vor allem: Bei Freiwilligkeitsleistungen muss gekürzt werden.

Wir werden uns dem nicht verweigern. Aber es dürfen nicht noch mehr langfristige ÖPP Projekte angegangen werden, die nur kurzfristig scheinbar bessere Lösungen bringen, aber langfristig den Haushalt knebeln. Wir werden – um nur ein eklatantes Beispiel aufzugreifen – schnellsten mit den Keglern eine Vereinbarung hinsichtlich die Defizitabdeckung in Höhe von über 228 000 Euro für die Kegelhalle treffen müssen. Seit 2009 trägt die Gemeinde die Kosten praktisch zu 100%.

Ebenso wurde immens viel Kapital für den Ankauf und das Herrichten von Parkraum verausgabt. Parken war auch bis vor kurzem nicht einmal kostenpflichtig.  Den Bürgerinnen und Bürgern wurde  vorgegaukelt, in Eppelheim ist vieles „für umme“. Unangenehme Wahrheiten wurden in die Zukunft verschoben. Das ist keine ehrliche und schon gar nicht eine nachhaltig Haushaltspolitik.

Wir wurden vom Bund in die Pflicht genommen, ausreichende Krippenplätze für alle Kinder unter 3 Jahren bis 2013 zu schaffen. Bei unseren Planungen hinken wir hinterher. Müssen aber auch deutlich sagen: Wer bestellt, soll auch die Kosten mit tragen. Der Bund zieht sich hier aus der Verantwortung.  Unser  bisher  eingeplante Betrag  von ca. 3,75 Mio. Euro  für den Ausbau der Kindereinrichtungen wird nicht ausreichen.


Wo können wir sparen? Wo liegen unsere Prioritäten?
Wir müssen unseren Schwerpunkt  auf die Pflichtaufgaben lenken. Dies sind: Ausbau der Kinderbetreuungs- und  Bildungseinrichtungen, eine zukunftsfähige und nachhaltige Stadtentwicklung bei schonendem Umgang  mit den wenigen noch vorhandenen Flächen, rentierliche Investitionen bei den erforderlichen Baumaßnahmen, d.h. nicht in Containerunterbringung von Menschen, sondern in langfristig nutzbaren Wohnraum, erneuerbare Energien, z. B. Gründung von Genossenschaften an denen sich Bürgerinnen und Bürger beteiligen können unter Zurverfügungstellung noch vorhandener Dachflächen der Gemeinde.

Alle kostenrechnenden Einrichtungen müssen nach Einsparungspotentialen durchleuchtet werden. Hier erwarten wir von der Verwaltung konkrete Vorschläge in den nächsten zwei Monaten.

Auch die vom Bürgermeister beanspruchten Gelder für Partnerschaften, Repräsentationen, Ehrungen und Jubiläen in der angesetzten Höhe sind angesichts der Haushaltslage nicht mehr zu rechtfertigen.

Wie sagten Sie doch in Schifferstadt über Ihre Position in Eppelheim: „Du sollst keine anderen Götter neben dir haben.“  Gott hat kein Geld für Repräsentationen gebraucht, und Sie sollten ihre Stellung als Bürgermeister nicht mit der von Gott vergleichen. Das macht Sie nicht glaubwürdiger, sondern schadet ihrem Ansehen und dem dieser Gemeinde. Sie verkennen gerne die  Realität. Wir sind im 21. Jahrhundert.  Deutschland ist eine Demokratie  und Sie sind nur auf Zeit in dieses Amt gewählt. Gleichzeitig gibt es einen Gemeinderat,  der  die Richtung bestimmt und nicht Sie alleine.

Uns fehlen die für demokratische Entscheidungsfindungen notwendigen Informationen und  Transparenz. Ein weiteres Mako ist die mangelnde Umsetzung von Gemeinderatsbeschlüssen. Ganz entscheidend  für unser Abstimmungsverhalten  ist die nicht vorhandene Transparenz beim laufenden ÖPP Projekt, das im Haushalt  des Jahres 2011 fast 4,5 Mio. Euro  vereinnahmt. Nachfragen beim zuständigen Controller dürfen nur gefiltert durch den Bürgermeister weiter gegeben werden. Auch ist der ÖPP Ausschuss seit der Kommunalwahl 2009 zur Farce verkommen. Er durfte kein einziges Mal mehr tagen.

Eine weitere Missachtung der Rechte des Gemeinderates  und der Verpflichtung des Bürgermeisters, zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger dieser Gemeinde zu handeln, ist die Tatsache, dass der Bürgermeister rentierliche Investitionen in Solaranlagen auf gemeindeeigenen Dächern selbstherrlich vergeben hat, ohne Zustimmung des Gemeinderates.

Eine Politik, die die demokratische Entscheidungsfindung missachtet, tragen wir nicht mit. Gemeinsam mit allen Fraktionen wollen wir den Stürmen am Kap der Guten Hoffnung standhalten und nach Wegen und  Lösungen suchen, um diese schwierige Haushaltslage zu bewältigen. Wir bedanken uns bei allen, die an der Erarbeitung des Haushaltes mitgewirkt  haben.

Wir stimmen dem Wirtschaftsplan des Wasserwerks  zu. Nicht zustimmen werden wir aus den oben genannten Gründen dem Haushaltsplan des Kernhaushalts.