Stuttgart 21: Warum „Ja“ sagen, wenn man „Nein“ meint?

Das erläuterte Daniel Renkonen, grüner MdL und S-21-Beauftragter der Fraktion, am 27. Oktober in der Rudolf-Wild-Halle. Zu dem Vortrag unter dem Titel „Volksabstimmung – und dann?“ hatte der grüne Kreisverband im Rahmen der S-21-Veranstaltungsreihe eingeladen. Der Referent erklärte den über 50 Zuhörern, wie es zu dieser Fragenkonstellation kam.

Am 27. November sind die Bürger des Landes erstmals zu einer Volksabstimmung aufgerufen. Im Kern geht es darum, ob das Land aus der Finanzierung des Projektes aussteigen soll. Denn allein der Landesanteil am Stuttgarter Tiefbahnhof beläuft sich auf 960 Millionen Euro. Die Regierung hat dafür im Landtag ein Kündigungsgesetz eingebracht, das jedoch am Nein der SPD und der Opposition scheiterte. Nun hat das Volk als Souverän das letzte Wort. Mit „Ja“ stimmt, wer möchte, dass die Landesregierung die Verträge über den Bau des Tiefbahnhofs („S21“) kündigt.


„Die Kündigung bezieht sich aber nur auf den Tiefbahnhof, nicht auf die Neubaustrecke Stuttgart-Ulm“, machte Renkonen klar. Diese werde in jedem Fall gebaut. Sind die Grünen deshalb eine fortschrittsfeindliche Partei? – fragte ein Teilnehmer. „Nein“, konterte der Landtagsabgeordnete, „das Land darf nur so viel Geld ausgeben, wenn der Bürger davon auch deutlich profitiert.“ Dies sei aber bei S 21 nicht der Fall. Im Gegenteil: Mit weniger Geld ließe sich viel mehr erreichen. So zum Beispiel mit einem integralen Taktfahrplan für ganz Baden-Württemberg. Dadurch würden die Züge immer zu festen Zeiten fahren, jeder Berufspendler wüsste also, sein Zug kommt zu jeder Stunde.

„Der Stresstest ist nur bestanden worden, weil in der Simulation an jedem Gleis gleichzeitig zwei Züge halten“, so Daniel Renkonen. Dadurch seien die Gleise ewig lang, die Haltezeiten der Züge zu kurz. Als weitere ungeklärte Risiken führte er die mangelnde Behindertengerechtigkeit, das Brandschutzkonzept oder das Grundwassermanagement an. So könnten sich Rollstuhlfahrer oder Eltern mit Kinderwagen im Brandfall nicht alleine aus dem Bahnhof bewegen, sondern nur mit der Hilfe anderer Passagiere gerettet werden. Da die Bevölkerung nie richtig informiert und beteiligt wurde, tauchten jetzt im nachhinein immer neue Bereiche auf, in denen nachgebessert werden müsse. Da die aktuellen Kostenkalkulation aber nur knapp unterhalb der vom Land festgelegten Obergrenze läge, sei es nur eine Frage der Zeit, bis der Kostenrahmen gesprengt wird.

„Diese Kosten bleiben natürlich nicht ohne Folgen für andere Regionen“, gab der Referent zu bedenken. „Alle anderen Bahnprojekte in Baden-Württemberg wurden mittlerweile aus dem Bundesinvestitionsprogramm gestrichen, weil das Geld fehlt.“ Für die Kurpfalz bedeute das: Die zweite Ausbaustufe der Rhein-Neckar-S-Bahn wird sich auf unbestimmte Zeit verschieben. Voraussetzung hierfür wäre die neue Schnellbahntrasse Mannheim-Frankfurt und der Umbau des Mannheimer Bahnhofs. Hierfür seien aber keine Gelder vorgesehen. Auch werde es in der für Berufspendler so wichtigen Stunde zwischen sieben und neun Uhr keine schnellen Verbindungen von Heidelberg nach Stuttgart mehr geben.

Und die Ausstiegskosten? Hier unterstrich Renkonen, dass die Kalkulation der Bahn von 1,5 Milliarden Euro Makulatur sei. „Die Bahn rechnet hier Kosten ein, die noch gar nicht entstanden sind“. Wahrscheinlicher seien Kosten von weit weniger als 500 Millionen Euro. Dass die Landesregierung das Votum der Wähler in jeden Fall akzeptieren werde, stand für den Referenten außer Frage. Was ihn aber besondere Sorgen machte: Dass das Projekt bei einer Realisierung irgendwann von selbst stoppt. Weil den Projektpartnern das Geld ausgeht oder die technischen Probleme nicht beherrschbar sind. Renkonen: „Dann hätte das Projekt den Stuttgartern ein Milliardengrab mit einer klaffenden Wunde im Herzen der Stadt gebracht.“ Um so wichtiger sei es, an der Volksabstimmung teilzunehmen. Denn erstens müsse nicht nur die Mehrheit der Abstimmenden, sondern auch mindestens 1/3 der Wahlberechtigten dem Gesetz zustimmen, damit es umgesetzt werden kann. Und zweitens gehe nur von einer großen Wahlbeteiligung das Signal zur Stärkung der direkten Demokratie aus. (sa)

Für mehr Hintergrundinformationen, siehe auch:

http://www.kopfbahnhof-21.de

http://www.ja-zum-ausstieg.de

http://www.bund-bawue.de/themen-projekte/verkehr/stuttgart-21